CO2-Gesetz – Wie weiter?

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Es hätte eine Weichenstellung in Richtung Klimaschutz werden sollen. Nun ist das CO2-Gesetz an der Urne gescheitert. Warum? Meiner Ansicht nach waren es die Lenkungsabgaben, die am meisten umstritten waren und zum Scheitern führten.

Lenkungsabgaben: Unter Ökonomen gelten sie als der Königsweg der Klimapolitik. Auf den fossilen Energien wird eine Abgabe erhoben und gleichmässig an die Bevölkerung rückverteilt. Durch diese Verteuerung lohnt sich der Umstieg auf erneuerbare eher – Die Marktkräfte lenken Wirtschaft und Gesellschaft automatisch in die ökologische Richtung, ohne dass zusätzliche Regulierung nötig wäre.

Doch die Bevölkerung ist davon wenig begeistert. Liegt es daran, dass eine Mehrheit diesen Mechanismus der Abgabe und Rückverteilung nicht nachvollziehen kann, wie einige behaupten? Oder weil die Leute zu wenig nachrechnen? Ich glaube es liegt an etwas anderem.

Die Krux an den Lenkungsabgaben ist, dass sie jeweils so ausgestaltet werden, dass sie kaum lenken. Ich glaube nicht, dass 12 Rappen Aufschlag aufs Benzin, dazu führen, dass jemand weniger weit fährt mit dem Auto. Die Menschen führen ihr Leben eben nicht mit dem Taschenrechner. Umstellungen bräuchten auch Zeit. Das Leben ist eingerichtet aufs Automobil: Wohnen, Arbeit, Freizeit, Ferien. All diese Gewohnheiten gibt man nicht einfach auf wegen 12 Rappen Preisaufschlag. Auch die Flugticket-Abgabe von 30 CHF wird kaum dazu führen, dass jemand weniger fliegt. Fazit: Die Lenkungsabgabe lenkt wohl gar nicht. Zahlen muss man sie trotzdem. Somit könnte es sein, dass die Lenkungsabgabe als Strafzahlung für moralisch schlechtes Verhalten empfunden wird. Mit dieser Interpretation wird die Ablehnung verständlich. Da sagt sich jeder: «Ich muss mehr zahlen und dann hilft es nicht mal das Problem zu lösen.»

Fazit: Mit ökonomischen Anreizen zu versuchen, dass die Menschen ihr Verhalten ändern, ist kaum mehrheitsfähig. Daher bitte die alten Ökonomiebücher zurück ins Regal stellen.

Man muss nicht immer alles neu erfinden. Was hat denn in Vergangenheit funktioniert in der Umweltpolitik? Dabei stösst man auf zwei Instrumente:

  1. Vorschriften: Der Katalysator wurde eingeführt in dem er zur Pflicht wurde für Neuwagen. Der Einsatz von diversen Umweltgiften wurde verboten. Wald, Moore und weitere Naturflächen wurden geschützt.

  2. Staatliche Investitionen: Die Gewässer sind heute sauber, weil der Staat sehr viel Geld investiert hat, um Kläranlagen zu bauten. Die Probleme der Abfalldeponien wurden durch grosse Investitionen in Kehrrichtverbrennungsanlagen gelöst.

Daran können wir uns orientieren für die zukünftige Klimapolitik. Klare gesetzliche Vorgaben, die für alle gelten. So könnte man beispielsweise definieren, dass ab 2030 nur noch emissionsfreie Fahrzeuge verkauft werden dürfen. Dann können sich alle darauf einstellen und es wird Investitionssicherheit geschaffen. Weiter kann die Vorgabe gemacht werden, dass eine alte Öl-Heizung mit einer Wärmepumpe ersetzt werden muss, wenn diese ihr Lebensende erreicht.

Dieser Ansatz könnte auf Ablehnung stossen, wenn damit zu hohe Kosten verbunden sind. Daher ist es wichtig, Kostenbremsen einzubauen bei solchen Regelungen.

Parallel dazu soll der Staat Geld ausgeben, um die neuen Technologien anzuschieben. So wie der Staat mit Milliarden das Bildungssystem finanziert, die Polizei, den öV, die Gerichte, den Strafvollzug, das Gesundheitswesen, die Sozialhilfe und vieles mehr – so soll der Staat auch in Klimaschutz investieren. Finanziell unterstützt werden könnten:

Energetische Sanierungen, Heizungsersatz mit Fernwärme und Wärmepumpen, Infrastruktur wie Ladestationen, Produktion von Solarenergie, Stromspeicher, Wasserstoff-Produktion, Wasserstoff-Infrastruktur, Produktion von fleischlosen Proteinen oder Techniken zur CO2-Abscheidung (CCS). Der Vorteil von diesem Ansatz: Wenn sich eine Technologie durch finanzielle Unterstützung verbreitet, wird sie in der Regel günstiger und besser. So geschehen bei der Solarenergie, bei Wind, bei Wärmepumpen, Batterien und Elektroautos.

Das CO2-Gesetz enthielt von allem: Vorgaben (Heizungsersatz), finanzielle Unterstützung (Klimafonds) und Lenkungsabgaben. Die Lenkungsabgaben hätten problemlos geopfert werden können. Das Gesetz hätte kaum an Wirkung verloren. 

Was heisst das nun für die Klimapolitik in Zürich? Für Zürich sind die Zeichen besser. Einerseits hat der Kanton mit 55% Ja gesagt zum CO2-Gesetz. Anderseits steht die Energiegesetz-Abstimmung im November an. Das Energiegesetz enthält keine Lenkungsabgaben, sondern Vorschriften zum Heizungsersatz und finanzielle Unterstützung dafür. Zudem ist eine Regelung vorgesehen, die hohe Kosten verhindert. Damit sollten die Chancen intakt sein, sogar mehr als 55% von einem Ja zu überzeugen.

Martin Neukom