Wahlkampf Auftakt

Wahlkampf-Auftakt an der Mitgliederversammlung der Grünen Kanton Zürich

Manchmal bin ich etwas frustriert über Ignoranz der Menschen. Neulich ging ich alleine Mittagessen. Das hat den Nachteil, dass man den NachbarInnen beim Gespräch zuhören muss. Vom Moment als ich mich setzte, bis zur Rechnung, sprachen die zwei nebenan darüber, wo sie hingeflogen sind und wo sie noch hinfliegen werden. Der Elefant im Raum – der Klimawandel – wird ignoriert: Aber der Klimawandel bedroht unsere Zukunft.

Wir Grünen erhalten ja manchmal den Vorwurf, dass wir in einer Bubble leben. In der Grünen Blase, in der alle von Umweltschutz reden und wir gar nicht mitbekommen, dass die Menschen ganz andere Prioritäten haben. Das stimmt zu einem gewissen Grad. Wer bis heute jedoch nicht gemerkt hat, dass der Klimawandel unsere Zukunft radikal infrage stellt, lebt definitiv auch in einer Bubble.

Ich will den Leuten auch nicht zu viele Vorwürfe machen. Es liegt in der Natur des Menschen negative Sachen zu verdrängen. Das hat ja auch Vorteile. Ich verdränge auch oft, dass Millionen Arbeiterinnen in Asien unter miserablen Umständen Konsumgüter produzieren. Wenn wir uns jeden Tag nur mit allem Schlechten auf der Welt beschäftigen, kommen wir auch nicht weiter.

Man muss Verständnis haben. Was den Klimawandel angeht, sind die Ausreden wirklich zahlreich und viele glauben den Argumenten fürs Nichts-Tun noch so gerne. Ein Beispiel zur Anschauung: Ich persönlich habe manchmal Mühe, es am Morgen aus dem Bett zu schaffen. Wenn ich mir vorstelle: Ich liege da und habe schon drei Mal auf Snooze gedrückt und da steht plötzlich ein Lobbyist neben dem Bett und sagt: «Die Uhrzeit stimmt gar nicht. Du kannst gut nochmals 2 Stunden liegen bleiben». Ich würde es sofort glauben.

Und genau so ist es auch mit dem Klima. Wenn man gerne fliegt oder Auto-Fan ist, dann glaubt man so gerne, dass es nicht an uns liegt, sondern an den Chinesen. Bei den Ausreden hat es für jede und jeden etwas dabei. Der Zürcher Regierungsrat sagt, er warte auf den Bund. Der Bund sagt, er warte auf die Chinesen. Die EDU glaubt, dass sich das Klima gar nicht erwärmt. Die SVP glaubt, es liesse sich sowieso nichts daran ändern. Und die FDP glaubt, die Klimakrise gehe von alleine weg, wenn man nur genug fest an den Markt glaubt.

Es muss uns bewusst sein, dass die meisten von diesen Argumenten bewusst konstruiert wurden. Denn der Umbau auf erneuerbare Energien gefährdet ganze Branchen. Einige Leute wurden reich durch Öl. Klimaschutz würde ihre wirtschaftliche Existenz gefährden. Es ist längst bekannt, dass amerikanische Thinktanks bereits in den 90er Jahren mit viel Geld ganz gezielt Zweifel am Klimawandel gestreut haben. Sie hatten nicht das Ziel, einen Diskussionsbeitrag zu liefern. Sie hatten auch nicht das Ziel, die Menschen zu überzeugen. Ihr einziges Ziel war, Zweifel zu säen, dass der Klimawandel existiert. Und es sind die gleichen Zweifel, die heute noch kursieren. Und wenn man sie glauben will, braucht es so wenig. Man schaue nur mal auf meine Facebook-Seite: Die Kommentar-Trolle reproduzieren genau diese immergleichen Inhalte.

Das funktioniert genauso wie damals bei der Tabak-Industrie. Da wurden Studien produziert, die «beweisen», dass Rauchen nicht schädlich ist. Es gab Werbung mit Aussagen von Ärzten, dass Rauchen unproblematisch sei. Und es hat funktioniert. Die Einsicht, dass Rauchen Krebs verursacht, konnte um Jahrzehnte verzögert werden. Die Einsicht, dass der Klimawandel eine Bedrohung ist, wurde ebenfalls bereits 40 Jahre verzögert.

Aber eigentlich wissen es alle. In 30 Jahren wird man sagen, dass es alle gewusst haben. Aber man hat weggeschaut. Die Verantwortung hat man auf andere geschoben. Auf den Punkt gebracht hat dies Greta Thunberg. Ihre Rede an der Eröffnung der Klimakonferenz in Polen wurde millionenfach angesehen. Die 15-jährige las den Politikerinnen und Politikern die Leviten. Im Jahr 2078 sei sie 75 Jahre alt. Ihre Kinder würden sie dann nach «uns» fragen und warum man nichts unternommen hat, als es noch möglich war. Sie sagte: «Ihr sprecht nur darüber, mit den immer gleichen, schlechten Ideen weiterzumachen, die uns in diese Krise geführt haben.»
Das hat mich sehr gefreut, denn es kommt mir bekannt vor. Die SWISS schreibt ihrer Broschüre, dass die Branche ihre Verantwortung wahrnehme. Ihre neuen Flugzeuge der C-Serie verbrauchen anscheinend 25% weniger Treibstoff. Bei der aktuellen Wachstumsrate wird jedoch schon in kurzer Zeit 25% mehr geflogen. Greta Thunberg hat Recht. Es sind die immer gleichen, schlechten Ideen, die uns in diese Krise geführt haben.
Wenn die FDP fordert, Klima-Zertifikate im Ausland zu kaufen, dann sind das die immer gleichen, schlechten Ideen, die uns in diese Krise geführt haben.
Wenn das Astra sechsspurige Autobahnen fordert, dann sind das die immer gleichen, schlechten Ideen, die uns in diese Krise geführt haben.

Man hat mir gesagt, ich soll nicht nur schimpfen. Ich solle auch über Lösungen sprechen. Und die Lösungen sind da! Das Klima zu stabilisieren ist technisch machbar. Es ist bezahlbar. Ja, es würden sogar Arbeitsplätze entstehen. Es ist alleine und ganz alleine ein Problem des politischen Willens. Hier trotzdem ein paar konkrete Ideen, was der Kanton Zürich machen könnte, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten:

  • Vorschriften für Gebäude: Neue Gebäude müssen als Plus-Energie Häuser gebaut werden, die mehr Energie produzieren als verbrauchen. Für bestehende Gebäude braucht es Übergangsfristen, bis sie kein CO2 mehr ausstossen dürfen. Technisch ist das machbar.

  • Klimaverträgliche Infrastruktur: Keine weiteren Ausbauten für den Autoverkehr. Das Geld muss in klimaverträgliche Infrastruktur fliessen, beispielsweise attraktive, durchgehende und sichere Velowege in allen Städten.

  • Raumplanung der kurzen Wege: Endlich die Zersiedlung stoppen, denn sie erzeugt den Verkehr.

  • Divestment: Alle Finanzanlagen vom Kanton, der kantonalen Gebäudeversicherung, der BVK, der ZKB und weiteren aus den fossilen Energien abziehen.

  • Technologie-Push: Durch die richtigen Anreize sollen Technologien gefördert werden, die eine Grüne Energiewirtschaft braucht. Aktuell geht es dabei vor allem um ökologische Speicher.

Wir wissen ganz genau, in welche Richtung es gehen soll.

Jetzt aber zu den Wahlen: Nachdem wir die Zersiedlungsinitiative gewonnen und das Wassergesetz versenkt haben, sind wir bereit für den Wahlkampf. Obwohl der Klimawandel das wichtigste Thema ist, geht es um deutlich mehr. Wir gehen auf die Strasse, um zu zeigen, dass wir es mit einer rechtsbürgerlichen Mehrheit zu tun haben, die jegliches Mass verloren hat. Eine rechtsbürgerliche Mehrheit, die wir nur mit einem Volksreferendum daran hindern konnten, 150 Mio. Franken beim öffentlichen Verkehr zu kürzen. Eine rechtsbürgerliche Mehrheit, die Eigennutz konsequent über öffentliche Interessen stellt, wie beim Pfusch des Wassergesetzes. Eine rechtsbürgerliche Mehrheit, die Grundeigentümer mit Seeanstoss privilegiert behandelt. Eine rechtsbürgerliche Mehrheit, die Steuern senkt, um nachher Leistungen abzubauen.

Aktuell scheint die politische Windrichtung zu passen. Ich merke, es kommt langsam Fahrt auf. Die Motivation bei der Basis ist gross. Meine Kampagne läuft bereits. Schon über 180 Leute sind in meinem Unterstützungskomitee beigetreten und mehr als 220 Personen haben mir bereits etwas gespendet. Vielen Dank dafür! Eure Unterstützung gibt mir Energie. Darum bin ich heute zuversichtlich, dass wir einen super Wahlkampf hinlegen werden. Lasst uns gemeinsam die Grünen Anliegen sichtbar machen, um all jene zu mobilisieren, die uns gut finden, aber es noch nicht wissen. Unsere GegnerInnen von rechts haben vielleicht mehr Geld als wir. Aber wir haben mehr Engagement – und die besseren Argumente. Lasst uns dafür kämpfen, dass der Kanton seine soziale und ökologische Verantwortung wahrnimmt.
Danke.

Martin Neukom